Das Leben ist voller Entscheidungen
- Julia Löwe
- 5. Nov. 2024
- 5 Min. Lesezeit
Wie man mit psychotherapeutischen Werkzeugen den richtigen Weg bei Lebensentscheidungen findet.

Von kleineren, alltäglichen Entscheidungen bis hin zu großen Wendepunkten wie Karrierewechseln, Umzügen oder familiären Entscheidungen. Oft stehen wir dabei vor inneren Konflikten und fühlen uns unsicher, ob wir den richtigen Weg einschlagen.
Hier sind einige bewährte Tools, die Therapeutinnen nutzen, um Klientinnen bei wichtigen Entscheidungen zu unterstützen:
1. Selbstreflexion durch Journaling
In der Psychotherapie ist das Schreiben in einem Tagebuch oder Journal ein wertvolles Werkzeug zur Selbstreflexion. Dabei werden Gedanken, Gefühle und Ängste, die mit einer bevorstehenden Entscheidung verbunden sind, bewusst festgehalten. Ein Tagebuch kann helfen die Gedanken zu ordnen und Muster in der eigenen Denkweise zu erkennen. Auch Emotionen rund um eine Entscheidung zu erfassen und zu verstehen passiert oft dann, wenn wir diese Aufgeschrieben haben und so schwarz auf weiß vor Augen haben. Beim Scheiben dokumentieren wie automatisch Veränderungen in den eigenen Gefühlen über einen Zeitraum hinweg, was sehr viel Klarheit schaffen kann.
Wir Therapeut*innen empfehlen oft bestimmte Journaling-Techniken wie das „Pro- und Contra-Schreiben“ oder das „Zukunfts-Szenario-Schreiben“, um Entscheidungen aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten.
2. Die Werteklärung
Wenn es um neue Lebensentscheidungen geht, spielt die Klärung der eigenen Werte eine sehr zentrale Rolle. Menschen, die wissen, welche Werte ihnen am wichtigsten sind, treffen Entscheidungen meist bewusster und sicherer.
Therapeutinnen führen oft spezielle Übungen durch, um den Klientinnen zu helfen, ihre Kernwerte zu identifizieren. Dabei werden Fragen gestellt wie:
Was ist mir eigentlich im Leben am wichtigsten? Oder welche Prinzipien möchte ich nicht aufgeben? Welcher Lebensweg wäre mir trotz aller Herausforderungen treu zu meinen Werten? etc.
Wenn ein Klient, eine Klientin beispielsweise Familie und Gemeinschaft als zentrale Werte identifiziert, könnte dies darauf hinweisen, dass eine Entscheidung, die soziale Unterstützung fördert, im Einklang mit seinen oder ihren Werten steht.
3. Der Einsatz des Systembretts
Das Systembrett ist ein hervorragendes Tool für Menschen, die vor komplexen Entscheidungen stehen und die Auswirkungen ihrer Optionen visuell darstellen möchten. Figuren und Symbole auf dem Brett repräsentieren Personen, Werte oder Aspekte des Lebens des Klienten.
Durch die räumliche Darstellung und das Verschieben der Figuren entsteht ein neues Verständnis dafür, wie sich Entscheidungen auf unterschiedliche Lebensbereiche oder Beziehungen auswirken könnten. Das Systembrett hilft unter anderem verschiedene Sichtweisen zu gewinnen und unbewusste Hürden aufzudecken oder auch mögliche Auswirkungen einer Entscheidung bildlich darzustellen. Es kann auch dazu beitragen Klarheit darüber zu gewinnen, was in einem Entscheidungskontext wichtig ist.
4. Gedankenstopp und kognitive Umstrukturierung
Besonders bei Entscheidungen, die mit Ängsten oder Unsicherheiten verbunden sind, setzen wir Therapeut*innen auf die kognitive Verhaltenstherapie. Ein zentraler Bestandteil ist dabei die „kognitive Umstrukturierung“, bei der automatische Gedanken und Denkmuster hinterfragt werden.
Der „Gedankenstopp“ ist eine Technik, die es ermöglicht, bei überwältigenden oder negativen Gedanken innezuhalten und bewusst umzudenken. Hierbei werden Ängste und Sorgen, die Entscheidungen blockieren, überprüft und in positive, lösungsorientierte Gedanken umformuliert. Ziel ist es, dass Klient*innen lernen, konstruktiv mit belastenden Überlegungen umzugehen, anstatt in endlosen „Was-wäre-wenn“-Schleifen gefangen zu sein.
5. Ressourcenarbeit
Oft helfen Rückschläge und Erfolge in der Vergangenheit, neue Entscheidungen zu bewältigen. Die Ressourcenarbeit ist ein Tool, das genau das unterstützt. Es geht darum, positive Erfahrungen und Stärken bewusst zu machen, um sich für die Zukunft zu stärken.
Wir arbeiten hier mit Fragen wie:
In welchen Situationen habe ich schon einmal etwas geschafft, was mir schwerfiel?
Welche meiner Stärken helfen mir immer wieder?
Welche Menschen die ich kenne und die mir nahe stehen werden zu mir halten, egal wie ich mich entscheide.
Oder auch: Wie bin ich mit früheren Entscheidungen umgegangen?
Die Ressourcenarbeit ist sehr wichtig, denn sie stärkt das Selbstvertrauen und fördert den Glauben daran, dass man auch neue Herausforderungen bewältigen kann,.
6. Imaginative Techniken
Imaginative Techniken wie die „Zukunftsvision“ helfen den Klient*innen, sich in eine gewünschte Zukunft zu versetzen und sich die verschiedenen Möglichkeiten vorzustellen. Eine Übung wäre die „Zukunftsreise“, bei der der Klient sich seine verschiedenen Entscheidungsmöglichkeiten in einem ruhigen, entspannten Zustand vorstellt.
Dabei wird die Frage gestellt: Wie fühle ich mich, wenn ich diese Entscheidung getroffen habe? Durch diese „Reise“ in die Zukunft entstehen oft wichtige Erkenntnisse darüber, welcher Weg langfristig das beste Gefühl vermittelt.
Eine andere Imagination wäre das "Tor zu einem neuen Leben". Die Imagination symbolisiert den Beginn eines wichtigen, positiven Wandels. Es steht für den Moment, in dem wir uns ganz bewusst entscheiden, jetzt alte Gewohnheiten, Ängste oder blockierende Denkmuster hinter uns zu lassen und Raum für Wachstum schaffen. Indem wir durch dieses „Tor“ schreiten, akzeptieren wir Herausforderungen und Unsicherheiten, weil wir wissen, dass sie zu persönlicher Reifung führen. Dahinter wartet eine Zukunft voller Möglichkeiten und neuer Perspektiven, in der wir unsere Fähigkeiten und Wünsche neu entfalten können. Aber auch wenn Klienten oder Klientinnen noch nicht durch das Tor gehen können erkennen sie viel. Woran liegt es, dass das Tor noch nicht offen ist? Was hält die Person noch in dem alten und bekannten Leben?
Imaginative Techniken helfen den Blick auf unsere unbewussten Seelenteile zu richten.
7. Rollenspiele und Perspektivwechsel
Rollenspiele sind besonders dann hilfreich, wenn eine Entscheidung verschiedene Rollen und Beziehungen betreffen. Indem Klient*innen die Position einer anderen Person einnehmen, sehen sie die Entscheidung aus einer neuen Perspektive. Dies ist vor allem nützlich, wenn eine Entscheidung die Familie, Freunde oder die berufliche Umgebung betrifft.
Ein Perspektivwechsel kann so z.B. ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse und Ängste anderer Beteiligter schaffen. Er kann auch helfen, mögliche Konflikte vorauszusehen und diese bereits vorab zu berücksichtigen. Durch einen Perspektivwechsel können Klient*innen überprüfen ob eine Entscheidung auf echtem Verständnis für alle Beteiligten basiert.
8. Der Entscheidungsbaum
Ein Entscheidungsbaum ist ein grafisches, man darf auch sagen kunsttherapeutisches Tool, das dabei hilft, komplexe Entscheidungen Schritt für Schritt zu durchdenken. Er eignet sich besonders gut, wenn eine Entscheidung verschiedene Konsequenzen haben kann und mehrere Optionen zur Auswahl stehen. Zum Beispiel könnte ein Entscheidungsbaum beim Thema Jobwechsel mögliche Fragen abbilden: "Soll ich in meinem aktuellen Job bleiben?" oder "Soll ich eine neue Branche ausprobieren?" und dann mögliche Ergebnisse und Konsequenzen für jede Wahl aufzeigen. So lassen sich die Optionen strukturieren und visualisieren, wie sich jede Entscheidung langfristig auswirken könnte. Der Entscheidungsbaum hilft so dabei, Entscheidungen bewusst zu treffen, weil alle möglichen Folgen vor Augen geführt werden.
9. Das Entscheidungsdiagramm
Das Entscheidungsdiagramm, auch bekannt als Flussdiagramm, ist eine etwas detailliertere Methode, um Entscheidungsschritte und Bedingungen darzustellen. Es ist besonders hilfreich, um Bedingungen und Abhängigkeiten in Entscheidungen zu erfassen. Bei einer Lebensentscheidung könnte es genutzt werden, um verschiedene "Ja"- oder "Nein"-Fragen zu beantworten, die jeweils zu weiteren Optionen und Überlegungen führen. Zum Beispiel könnten für eine Karriereentscheidung Fragen enthalten sein wie: "Habe ich die nötigen Qualifikationen?" oder "Erfüllt der neue Job meine Werte?" Mit jedem Schritt durch das Diagramm nähert man sich so einer klareren Entscheidung. Entscheidungsdiagramme bieten also eine fokussierte, schrittweise Orientierung, die gerade in emotional herausfordernden Situationen helfen kann, Unsicherheiten zu verringern und Klarheit zu gewinnen.
Es ist einfach so: Lebensentscheidungen sind selten einfach und oft mit Unsicherheiten verbunden. Die Psychotherapie bietet eine Vielzahl an Methoden, die Menschen dabei unterstützen, klarer zu sehen, mehr über sich selbst zu erfahren und dadurch zu einer fundierten Entscheidung zu kommen. Ob durch die Werteklärung, die Arbeit mit dem Systembrett oder imaginative Techniken – jedes dieser Werkzeuge kann dazu beitragen, den besten Weg für sich selbst zu finden und mit einem sicheren Gefühl nach vorne zu schauen. Der richtige Weg zeigt sich oft, wenn man bereit ist, seine inneren Überzeugungen und Ängste zu erkunden und sich selbst besser kennenzulernen.
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